Wenn Bewegung zur Qual wird

Ich sehe mich noch heute in der Turnhalle stehen: der Geruch von Gummi vom Boden, das Echo der Stimmen – und der Ball, der mich beim Völkerball mit voller Wucht trifft. Für viele war die Sportstunde ein Highlight, für mich wurde sie mit der Zeit zur Qual. Immer wieder das Gefühl, nicht gut genug zu sein, immer wieder als Letzte in ein Team gewählt zu werden.

Mit jedem Jahr habe ich mich mehr vom Schulsport gedrückt. Ich habe Bauchschmerzen erfunden, Kopfschmerzen vorgeschoben oder mich krankgemeldet – nur um nicht mitmachen zu müssen. Bewegung hätte eigentlich Freude machen sollen, doch für mich wurde sie zum Stressfaktor. Rückblickend denke ich: Genau da habe ich die Lust an Sport verloren.

Eine Erinnerung, die mich lange begleitet hat

Ein Erlebnis hat sich besonders eingebrannt: An einem Schulsportfest mussten wir eine Staffette absolvieren. Dabei sollte ich über den Schwedenkasten springen – doch statt elegant drüber zu kommen, bin ich mit voller Wucht direkt hineingeprallt. Für mich war das schon schlimm genug, doch wirklich belastend wurde es durch die Reaktionen danach.

Es war nicht nur meine Klasse, die es mitbekam – alle Schülerinnen und Schüler von der 7. bis zur 9. Klasse sassen in der Turnhalle, dazu mehrere Lehrpersonen. Vor all diesen Augen war mein Missgeschick passiert.

Über Jahre hinweg wurde ich von Mitschülerinnen und Mitschülern – gerade auch von älteren – damit aufgezogen. „Schwedenkasten“ wurde zu einem Spitznamen, der mir immer wieder nachgerufen wurde. Dieses ständige Hänseln hat wehgetan und meinen ohnehin schon schwierigen Zugang zum Schulsport noch stärker belastet.

Warum Schulsport nicht für alle funktioniert

Ich erinnere mich noch gut an meine Schulzeit: Sport bedeutete Ballspiele, Geräteturnen oder Leichtathletik. Alles Dinge, die man „klassischerweise“ unter Sport versteht – aber kaum Raum für kreative oder alternative Bewegungsformen wie Tanz, Yoga oder Pilates. Rückblickend finde ich das schade, denn gerade diese Vielfalt hätte vielen Kindern und Jugendlichen geholfen, etwas für sich zu entdecken, das wirklich Freude macht.

Meine persönlichen Erfahrungen

Fehlende Vielfalt

Der Fokus lag stark auf Disziplinen, die nicht jedem gleich liegen. Ein Danceworkout, Yoga oder Pilates hätte nicht nur für Abwechslung gesorgt, sondern vielleicht auch mehr Schülerinnen und Schüler motiviert, weil sie merken: Bewegung kann auch Spass machen, selbst wenn man nicht der oder die Schnellste oder Stärkste ist.

Demotivation durch Vergleiche

Was für mich besonders schwer war: dass man immer miteinander verglichen wurde. Wer nicht die Beste oder Schnellste war, merkte das sehr schnell. Ich erinnere mich noch an die Gruppenspiele, bei denen ich regelmässig als Letzte gewählt wurde. Für ein Kind oder eine Jugendliche ist das extrem entmutigend – und es führt dazu, dass man sich selbst irgendwann gar nicht mehr gerne bewegt.

Fehlende individuelle Förderung

Im Nachhinein denke ich: Wie schade, dass Schulsport damals nicht so aufgebaut war, dass man Stärken individuell fördern konnte. Manche Kinder sind motorisch schneller, andere brauchen mehr Zeit. Und manche sind vielleicht nicht die grossen Teamsportler, haben aber Freude an Bewegung in ganz anderer Form.

Abschluss: Wie ich die Freude zurückgewonnen habe

Heute weiss ich: Bewegung bedeutet nicht, in allem perfekt sein zu müssen. Ich habe für mich entdeckt, dass Wandern, Tanzen oder auch einfach Spaziergänge genau die Art von Bewegung sind, die mir Freude machen. Es geht nicht um Leistung, sondern um das gute Gefühl, den Körper zu spüren und etwas für mich selbst zu tun.

Ein wichtiger Lernprozess für mich war auch, dass es im Fitnessstudio nicht darum geht, was andere denken könnten. Früher hatte ich oft die Angst, dass jemand über mich urteilen könnte – „was macht die Dicke hier?“. Heute weiss ich: Die allermeisten denken vielmehr „hej, die bewegt sich!“. Diese Perspektive hat mir geholfen, Bewegung wieder mit Selbstbewusstsein und Freude anzugehen.

Als Erwachsene konnte ich mir die Freiheit nehmen, selbst zu wählen – und genau das ist der Schlüssel: Bewegung in einer Form zu finden, die sich gut anfühlt.

Vielleicht hast auch du in der Schulzeit die Lust an Sport verloren. Falls ja:

  • Probiere neue Bewegungsformen aus – fernab von Ballspielen oder klassischen Disziplinen.
  • Erinnere dich daran: Du musst nicht die Beste sein, um Spass zu haben.
  • Suche dir etwas, das sich für dich stimmig anfühlt – sei es Tanzen, Wandern, Yoga oder etwas ganz anderes.
  • Und wenn du Angst hast, im Fitness bewertet zu werden: Die meisten denken nicht negativ – sie sehen dich und denken „stark, die bewegt sich!“.

Mich würde interessieren: Welche Erfahrungen hast du mit Schulsport gemacht? Und wie hast du deine Freude an Bewegung (wieder)gefunden?

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2 Responses

  1. Oh ja, Schulsport war für mich echt der Endgegner. 😅 Heute bin ich aber total gern in Bewegung – nur eben nicht auf Wanderwegen wie bei dir. Mein Herz schlägt inzwischen fürs Rennrad

  2. Das ist wirklich ein interessantes Thema, über das ich bisher nie so nachgedacht habe, aber deine Gedanken dazu kann ich total nachvollziehen. Sportunterricht in der Schule mochte ich überhaupt nicht.

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