Stättared – Äskhult
Ich bin bereits um 6 Uhr hellwach und beschließe deshalb heute früh loszugehen. Dann kann ich auch die kühlen Morgenstunde nutzen. Ich wasche mich kurz im See, zum reinspringen ist es mir noch zu frisch. Noch vor dem Frühstück laufe ich los Richtung Stättared. Dort steht ein Windschutz und es besteht beim Bauernhof in der Nähe die Möglichkeit das Wasser zu füllen. Die Strecke von heute Morgen und gestern Abend sind bisher landschaftlich definitiv die schönste. Aber ich denke das werde ich in den nächsten Tagen öfters sagen.
Ich laufe entlang des Sees Stora Horredssjön und habe immer wieder einen Fantastischen Ausblick über den See und die umliegenden Wälder.
Das perfekte Wanderwetter
Die Temperaturen am Morgen sind perfekt so dass ich gut vorankomme. Unterwegs nehme ich dann noch mein Frühstück mit einem tollen Ausblick. Was für ein toller morgen. Ich erreiche den Windschutz Stättared welcher aber bereits besetzt ist. Dieser liegt an einem schönen kleinen Strand. Dem weichen Sandstrand kann ich nicht widerstehen, ich hüpfe nochmals kurz in den See. Was gibt es schon besseres als eine kurze Abkühlung im See.
Heiss, heisser, Schwedischer Sommer 2018
Nach einer ausgiebigen Pause mache ich mich auf den Weg. Nach 1.5 h wird mir bewusst das ich den Bauernhof bei dem man das Wasser ausfüllen konnte wohl verpasst habe. Obwohl ich meine Augen eigentlich offen gehalten habe. Nun gut irgendwo wird sich die Gelegenheit wohl geben das ich Wasser bekomme.
Es ist über 30 Grad heute und die Etappe führt bald unterhalb von Strommästen durch eine Waldschneise hindurch. Die Sonne brennt mir als voll ins Gesicht. Entlang des Waldes ist aber kein Durchkommen so dass mir nichts anderes übrig bleibt als in der Hitze zu gehen.
Vor mir hüpft ein Reh über den Weg. Kurze Zeit später kommt das Bambi über den Weg. Das Jungtier scheint sich aber überhaupt nicht ab mir zu stören. Vor mir fängt es mit dem grasen an. Da ich es nicht erschrecken möchte bleibe ich stehen. Nach 10 Minuten wird es mir aber zu heiss. Vorsichtig gehe ich weiter. Das Kitz guckt kurz auf aber frisst dann einfach seelenruhig weiter. Auf wenige Meter kann ich mich nähern bis das Bambi dann doch das Weite sucht.
Die erste verdurstete Wanderin in Schweden
Nach einigen Stunden an der prallen Sonne biege ich endlich in den schattigen Wald ein. Meine Wasservorräte sind inzwischen alle und ich frage mich schon ob ich die erste Wanderin werde welche in Skandinavien verdursten wird. Leider ist auch weit und breit kein See oder Fluss mehr zu sehen. Hätte ich besser meine Vorräte noch am See gefüllt.
Durch den Wald höre ich dann plötzlich Kinderstimmen. Tatsächlich führt mich der Wanderweg auch immer näher an die Stimmen. Ich erreiche einige Häuser und bekomme wie immer sofort meine Flaschen gefüllt.
Ich mache nochmals eine Pause und schaue gleich noch nach meinem Weg. Da ich morgen ein Ruhetag mache darf ich heute ein Teil meiner Strecke entlang der Strasse mache, da das Bed and Breakfast nicht direkt am Trail liegt. Wieder einmal wird klar dass die Meinung von Distanzen zwischen Schweden und Schweizer sehr unterschiedlich ist. Am Telefon und gemäss Webseite liegt es nämlich ganz nah am Hallandsleden. Aber vielleicht habe ich auch den falschen Weg erwischt. Ich verlasse in der Nähe von Hafors den Trail und wandere entlang der Strasse. Unbarmherzig prallt die Sonne auf mich herab und ich komme nur noch im Schneckentempo voran. Die Hitze macht mir ziemlich zu schaffen und das nach noch nicht einmal 20 km. Ich frage mich in diesem Moment wirklich wie andere Fernwanderer auf Asphalt ohne einen Hauch von Schatten 30 Kilometer packen. Mein voller Respekt für diese Leistung.
Ich bin inzwischen soweit das ich im Minutentakt auf mein Handy gucke um zu schauen wieviel Kilometer es bis zum Ziel sind. Gesamthaft darf ich etwa 8 Kilometer der Strasse nach laufen. Eigentlich keine Wahnsinns Strecke für mich aber heute eine ziemliche Tortur. Würde jetzt ein Auto anhalten und mir anbieten mich mitzunehmen würde ich nicht ablehnen. Da wäre heute mein «Fernwander-Stolz» definitiv zu gering. Aber natürlich ist dies heute nicht der Fall. Ich setze mich immer wieder hin sobald ich auch nur ein kleiner Fleck Schatten sehe. Eigentlich wollte ich über die Hitze ja nicht Jammern aber gerade ist mir egal was ich wollte und was nicht.
Kurz vor 18 Uhr erreiche ich dann endlich das Bed and Breakfast. Ich bekomme ein sehr schickes Einzelzimmer das sogar eine Sauna hat. Der Kühlschrank in der gemeinsamen Küche ist prall gefüllt. Das Bed and Breakfast ist fast ausgebucht. Einige Kindergärtnerinnen aus Göteborg haben einen Betriebsausflug.
Ich springe als erstes unter die Dusche. Danach gibt es noch ein kurzes Telefonat mit Zuhause. Meine Mama ist am Organisieren das mein Paket irgendwie doch noch den Weg zu mir findet. Es wurde falsch gescannt und ist tatsächlich auch im Süden. Noch gehe ich davon aus das Zuhause alles in Ordnung ist und ich freue mich einfach nur über meinen bevorstehenden Ruhetag.
Ich beschliesse dann doch noch etwas zu essen. Bin aber zu müde im etwas zu kochen und nehme deshalb eine Fertigmahlzeit hervor. Morgen habe ich Zeit und da werde ich endlich mal wieder etwas selber kochen. Sicher werde ich mein Tag hauptsächlich am See geniessen der nur 100 Meter entfernt liegt. Etwas die bevorstehenden Etappen muss ich noch planen, aber körperlich liegt morgen ein gemütlicher Tag vor mir. Ich freue mich dieses Mal riesig auf das Nichtstun, gerade weil ich finde dass es nach dieser Woche so richtig verdient ist.
Als ich das Wasser für mein Tütengericht gekocht habe, erscheinen die Kindergärtnerinnen mit den Resten und fragen mich ob ich diese möchte. Wahrscheinlich strahle ich in diesem Moment wie ein Marienkäfer. Frischer Salat, saftiges Fleisch und Kartoffel mit Pesto statt Tütengericht? Ich bin in diesem Moment gerade sowas von Happy und könnte den Damen um den Hals fallen. Sie meinen jedoch ganz Bescheiden das Sie ja sonst alles wegwerfen würden. Das Essen schmeckt himmlisch und ich geniesse es mit jedem bissen.
Im Moment braucht es wenig um mich völlig zufrieden zu machen. Das möchte ich mir aber auch mitnehmen für wenn ich wieder in den Alltag zurückgehe. Sich auch über Alltägliche Dinge wie ein leckeres Essen, eine Dusche und ein bequemes Bett zu freuen.
Ich bin bereits ziemlich satt als ich noch Beeren und Schokoladenkuchen angeboten bekomme. Aber Süsses hat immer noch irgendwo Platz. Der Kuchen schmeckt wirklich himmlisch.
Zurück nach Hause
Satt, frisch geduscht und ziemlich zufrieden falle ich in mein Bett.
Am nächsten Tag erreicht mich das Telefonat von meiner Mama. Für mich war schon vor Antritt meiner Reise klar dass ich in bestimmten Fälle meine Reise unterbreche würde. Für mich ist auch mein erster Impuls das ich sofort nach Hause möchte. Es gibt Situationen die möchte ich nicht alleine durchstehen. Dies muss niemand verstehen. Der Besitzer vom Bed and Breakfast hilft mir noch mit den Bus und Zugverbindungen. Innerhalb von 3h sitze ich am Flughafen von Göteborg. Eigentlich sind aber alle Flüge in die Schweiz ausgebucht. Auf einem Internetportal finde ich aber nach langem Suchen tatsächlich noch 1 Sitzplatz. Über Kopenhagen fliege ich also nun zurück nach Zürich. Innerhalb von 13h bin ich bei meinen Eltern zuhause. So richtig verstehen kann ich es aber alles noch nicht. Mama und ich sprechen noch lange bevor ich dann ins Bett falle. Richtig schlafen kann ich nicht. Es ist alles noch extrem unwirklich und ich bin noch nicht wirklich in der Schweiz angekommen.
Fragen über Fragen
Wie lange ich bleiben werde weiss ich noch nicht. Aber gerne würde ich das Mittsommerfest in Schweden erleben. Zuerst brauchte ich aber einige Tage um alles zu verarbeiten. Ich habe in dieser Zeit auch meinen ganzen Trip hinterfragt. Soll ich wieder gehen oder das ganze definitiv abblasen? Nach einigen Nächten darüber schlafen habe ich aber beschlossen das ich weiter gehen möchte.